Weihnachten im Warmen. 26 Grad. Ich hatte so meine Bedenken, was das angeht. Ohne Familie. Ohne Glühwein. Ohne 3 Tage Essen was das Zeug hält. Wie wird es sich anfühlen. Ganz ohne lang gehegte Traditionen?
Sprachnachricht von Markus
Als ich am 24. Dezember aufwache, sehe ich eine Sprachnachricht von meinem Bruder. Eher ungewöhnlich. Manuel schläft noch tief und fest, also schleiche ich mich aus dem Schlafzimmer. Meiner Oma ginge es nicht gut. Sie wären die Nacht über auf gewesen. Krankenhaus. Beim Abhören kommen mir die Tränen. Werden wir uns jemals wieder sehen? Sollte ich nicht doch lieber heimfliegen?
Von Bangkok geht jeden Tag ein Flug heim
Irgendwann wird auch Manuel wach. Schnell erkennt wer, dass was nicht stimmt. Wir reden und überlegen, wie wir weitermachen. Im Augenwinkel sehe ich, wie er Momondo (eine Flugpreis-Vergleichs-App) offen hat. Manuel sucht immer nach Lösungen. Ja, es würde genügend Möglichkeiten geben, innerhalb von 24 Stunden Zuhause zu sein.
„Bleib, wo du bist“
Die Stimmung ist gedrückt. Ich lege mich erstmal wieder ins Bett und denke nach. Manuel kommt dazu und ich kann eine ganze Weile auf seiner Brust verweilen. Erst um 14 Uhr beschließen wir, aufzubrechen. „Ich kann jederzeit heim fliegen“ hatte ich meiner Mama getextet. Sie antwortet „Bleib, wo du bist. Wir haben hier alles im Griff. Für sie ist gesorgt.“
Die Stadt der Tempel
In Chiang Mai spürt man Weihnachten kaum. An manchen Ecken steht ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum. Thats it. Um nicht nur im Zimmer zu kauern, beschließen wir am frühen Nachmittag, ein paar Tempel zu besichtigen. In etwa 10 Minuten sind wir im „Quadrat“. In jeder Querstraße kannst du dir unzählige, prunkvolle Exemplare anschauen. Wir entscheiden uns für 2.
Ein ähnliches Feeling
Beim ersten Tempel läuft Musik. Alles ist mit bunten Lampions geschmückt. Zwar nicht der typische Weihnachtsschmuck, aber es hat doch ein ähnliches Feeling. Bunt, lebensfroh, friedvoll. Mönche grüßen uns. Es hat etwas Magisches. Der Vollmond ragt langsam empor. Schnell noch zu Tempel Nr. 2.
Hungrige Fische
Bei Tempel Nr. 2 sind wir fast alleine. Auch hier verspüren wir eine ganz besondere Stimmung. Eine lange Bambusbrücke führt über einen Teich. Ringsum Grün. Wir kaufen Fischfutter und streuen es in das dunkle Wasser hinein. Herauf kommen unzählige, riesige Fische mit Barteln. Auch hier streift ein Mönch unseren Weg.
Eine Querstraße weiter
Langsam dämmert es und die Tempel schließen ihre Pforten. Nur eine Querstraße weiter entdecken wir ein Lokal. Die Preise sind erstmal niedrig. Und das Essen: Grandios. Zwar keine Würstl mit Kartoffelsalat, aber dafür viele einheimische Leckereien. Am Ende sitzen wir da. Und haben im Grunde alles, was wir brauchen. Nur die Familie, die fehlt schon sehr. Gerade in diesen Tagen.
Der Digitalisierung sei Dank
Es ist bereits 20 Uhr als wir mit unserem Video-Telefonie-Marathon beginnen. Zuerst melden wir uns bei Manuels Tante, dann bei meinen Eltern und schließlich bei Manuels Eltern. Ohne diese Möglichkeit wäre es sicher noch viel komischer geworden. Aber so hatten wir fast das Gefühl, mit allen ein bisschen gefeiert zu haben.
Gebrochene Traditionen – Was wir daraus lernen
Die Weihnachtswoche war eine gefürchtete. Werden wir sehr „leiden“? Und ja, es war sicher (wahrscheinlich auch wegen der Umstände) nicht ganz einfach. Aber im Grunde haben wir uns das Weihnachtsgefühl bewahrt. Es war vielleicht sogar etwas friedvoller und entschleunigter, als es in Deutschland gewesen wäre. Keine vollen Supermärkte. Kein Geschenke-Marathon. Kein „Wir essen 3 Tage durch und nehmen gemeinschaftlich 2 Kilo zu.“
Traditionen sind schön. Sie geben uns Halt. Stärken die Gemeinschaft. Geben uns einen Anlass, zusammenzukommen. Aber eine Tradition kann auch gebrochen werden. Wir dürfen sie so anpassen, wie sie in unser Leben passt. Und so bleibt uns dieses Weihnachten in Chiang Mai bestimmt ganz besonders in Erinnerung.
DANKE fürs Lesen!
Deine Nicole