Ein Stück Goldsteig

August 2019

Meine Seele finde ich am Rande des Waldes wieder, ein gutes halbes Jahr nach der Trennung. Eine Freundin motiviert mich mehrere Tage wandern zu gehen. Eine kleine Reise durch den Bayerischen Wald. Ich packe einen Rucksack mit 6 kg Gepäck (für mich reichen in der Regel 20 kg beim Fliegen nicht). Schwerer darf er nicht sein. Die Packliste ist überschaubar: 4 kg Essen & Trinken und 2 kg das allernötigste an Kleidung und Kosmetik. Selbstverständlich inklusive Reisewaschmittel. Meine Freundin untersagt mir Schminke mitzunehmen. Den Wald interssiere es nicht, ob ich gut aussehen würde. Sie hatte Recht. Das alles benötige ich nicht. 3 Tage ohne Überfluss. Befreiend. So ungewohnt unbeschwert. So unperfekt perfekt.


Wir starten in Ruderting – mitten im Nichts – und gehen ein Stück Goldsteig.

Pro Tag zwischen 20.000 und 30.000 Schritte. Insgesamt 70 Kilometer liegen vor uns. Wir nehmen schnell Route auf. Reden und schweigen. Gehen und pausieren. Singen und lachen. Kehren abends in einfachen Pensionen ein. Es gibt keinerlei Eile. Der Weg ist unser Ziel. Ein meditativer Zustand stellt sich ein. Nach einer gewissen Zeit merke ich nicht mehr, dass ich gehe. Ich bin im Fluss, neben dem Fluss. Der wunderschönen Ilz. Wir streifen Wiesen, Wälder, Bäche, Sträucher, Beeren. Die Natur erdet. Sich mit ihr zu verbinden, heilt.

Ich heile.

Am dritten Tag erreichen wir Passau. Als wir dem Aussichtspunkt näher kommen, überkommt uns ein unglaubliches Gefühl. Wir haben es geschafft. Gemeinsam. Wir blicken über die wunderschöne 3-Flüsse-Stadt. Stärken uns und treten langsam den Heimweg mittels Zug an. Zuhause waschen wir den Schweiß ab, kühlen unsere Füße von der Anstrengung. Lassen alten Ballast im Wald zurück. Nehmen neue Eindrücke, neue Hoffnung mit.

Hier beginnt (m)eine Leidenschaft.

Ich kann nach jener Wanderung nicht mehr aufhören zu gehen. Gehe, wenn es mir schlecht geht. Wenn ich etwas zu überdenken habe. Wenn ich mich träge fühle. Wie simpel, ein Fuß vor den anderen. Immer und immer wieder. Manchmal alleine, manchmal in Gesellschaft. Manchmal mit Musik. Bis heute verarbeite ich die Dinge im Wald. Schöpfe neue Ideen und neue Kraft. In beruhigender Ruhe. Tausende Bäume und ich – eine gratis „Batterie“-Ladestation. 10.000 Schritte täglich oder eine andere Form der Bewegung machen mich zu einem ausgeglicheneren Menschen.


Vielleicht hilft es auch dir zu gehen und dabei Stress abzubauen, zu dir selbst zu finden, dich wieder besser zu spüren… Egal in welcher Lebenslage du dich gerade bist, fange an zu gehen. Bewusst zu gehen. Langsam. Schnell. Solange bis du dich besser fühlst.

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