„You killed your girlfriend“

Das Maximum an Angst endet in Panik. 

Ich zittere am ganzen Körper. Halte mich mit meinen letzten Kräften an Manuel fest. Er versucht mich zu beruhigen, ich mich auch. Aber wir haben beide keine Chance. Ich werde mit meiner größten Angst konfrontiert: Dem Kontrollverlust. 

An diesem Nachmittag ist das Meer unruhig. Wellen brechen sich. Und wir springen über sie hinweg. Manuel gibt Gas, um die Gruppe nicht zu verlieren. Immer wieder heben wir ab und prallen auf. Bei der Geschwindigkeit fühlt sich das Meer hart an wie Beton. Irgendwann kann ich einfach nicht mehr, weine in seinen Nacken. Wünsche mir einen sicheren Ort, wünsche mich zum ersten Mal auf dieser Reise zurück zu meinem Alltag. „Ich will ins Büro“ sage ich aus lauter Verzweiflung. Eine nicht enden wollende Stunde.

Eine viertel Stunde hätte auch gereicht.  

Manuel und ich entscheiden uns für die „Combo G“. Dany, unser Verkäufer, lässt noch etwas mit sich handeln. Immer wieder telefoniert er, bis wir uns preislich einig werden. Bei der Buchung ist mir bereits klar, das wird nicht einfach. Aber man soll sich ja bekanntlich seinen Ängsten stellen, um sie zu überwinden. Die „Combo G“ ist das Adrenalin-Paket unter allen Angeboten:

2 Stunden Buggy Tour + 1 Stunde Jetski Safari 

Eine viertel Stunde Jetski wäre schließlich schnell vorbei. „Also lass uns lieber gleich die Stunde buchen“ sage ich zu Manuel. Und so begeben wir uns auf das Abenteuer. Am Buchungstag werden wir pünktlich vom Hotel abgeholt. Ungewohnt für spanische Verhältnisse. Im Bus sind wir mit lautstarken Iren unterwegs. In Badeschlappen und ohne Rucksack oder dergleichen. So geht es scheinbar auch! Wir erreichen unser erstes Ziel: Das Gelände eines Buggy-Verleihs!

Das Abenteuer beginnt! 

Nachdem wir ein Formular ausgefüllt & unsere Schutzbrillen aufgesetzt haben, geht es los. Tipp an dieser Stelle, falls ihr das auch mal probieren solltet: Nehmt einen Schal mit! Der Dreck findet den Weg überall hin 😉 Manuel kommt schnell mit dem Buggy zurecht. Es geht über Schlaglöcher, enge Kurven und einen Berg hinauf. Das Geräusch des Motors alleine macht Spaß, das Vibrieren spüren wir am ganzen Körper. Die Buggys müssen einiges aushalten! Über große, spitze Steine. Wir fliegen nach links, rechts, vorne, hinten. Mir ist unerklärlich, wie einige während der Fahrt Videos machen können. Ich halte mich die meiste Zeit über an einem Haltegriff fest. Die Buggys haben keine Türen, keine Scheibe an der Front. Der braune Dreck klebt an unserer Kleidung, in unseren Haaren und allen Stellen, die nicht bedeckt sind (Wechselkleidung ist aus meiner Sicht sehr zu empfehlen). Auch für mich als „Schisser“ war das Adrenalin pur und hat Spaß gemacht! Zwischendruch halten wir zweimal an. Die beiden Guides sind wirklich gut und erklären uns etwas zur Umgebung. Wir sehen Höhlen der Ureinwohner und haben eine tolle Aussicht in alle Richtungen.

Zurück beim Verleih ist Manuel fast schon traurig, dass es vorbei ist. Selten habe ich ihn so lachen gesehen, wie in diesen 2 Stunden. Unser nächster „Malmedie“ 😀 alle versuchen den Dreck so gut es geht wieder herunterzubekommen. Wir sind tatsächlich die einzig gut Vorbereiteten und können uns direkt umziehen.

Nach kurzer Zeit werden wir abgeholt zum zweiten Part der „Combo G“ – der Jetski Safari. 

Es geht wieder in den Süden, an einen Strand voller Engländer (scheinen auf Gran Canaria gut vertreten zu sein). Mir wird bereits mulmiger. Bis zum Anziehen unserer Schwimmwesten ist meine Welt noch in Ordnung. Wir werden gerufen, dass unser Jetski jetzt da wäre. Laufen zum Wasser, das Aufsteigen ist bei dem Wellengang schwer. Hinten am Gefährt gibt es eine kleine Stufe, die wir hinaufklettern können. Alles noch machbar. Der Guide fährt uns hinaus.

Ohne Einweisung steigt er dann auf einen anderen Jetski um und überlässt uns unserem Schicksal.

Bereits an diesem Punkt bin bereit umzukehren. Ich fühle mich nicht sicher. Der Jetski wird durch die Wellen immer wieder gut nach oben gespült. Wir warten bestimmt 10 Minuten bis alle Teilnehmer und das vorausfahrende Boot bereit sind. Manuel gibt Gas. Noch nie in meinem Leben habe ich etwas so schlecht ausgehalten. Die Bewegungen des Buggys konnte ich nach einer gewissen Zeit einschätzen, aber die Wellen und das Springen auch nach einer ganzen Weile kein bisschen. Meine Kräfte schwinden immer mehr. Ich weis genau, wenn ich jetzt loslasse oder die Kraft nicht halten kann, dann fliege ich. Fliege ich auf das harte Wasser.

Es wird zu einer Grenzerfahrung, die meine persönlichen Grenzen deutlich überschreitet.

Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht weiß, ist, dass man in Deutschland eigentlich einen Führerschein dafür braucht. Denn so ganz ungefährlich ist die ganze Geschichte nicht. Bestimmt würde sich der ein oder andere über mich lustig machen, der schon mal Jetski gefahren ist. Hat alles seine Berechtigung. Ich war auch die einzige Teilnehmerin, die so sichtlich beunruhigt war (nichts für Schisser, ich denke, ich war die einzige dieser Sorte, die sich angemeldet hat).

Nach einer halben Stunde machen wir Pause. „Ich kann nicht mehr“ seufze ich Manuel ins Ohr.

„Schatz, wir können jetzt nicht umdrehen. Du musst da durch. Das einzige, was wir versuchen können, ist, dass du auf das Boot gehst.“ Er hebt seine Hand und der Guide kommt zu uns. Zitternd am ganzen Körper hiefe ich mich auf seinen Jetski. Lasse Manuel los und werde zum Boot gebracht. „You killed your girlfriend“ witzelt der Fahrer. Diese halbe Stunde fühlt sich wie die längste meines Lebens an. Sichtlich erleichert schnaufe ich durch. Bin dankbar für die „Rettung“. Hoffe, dass es Manuel gut geht und habe ein schlechtes Gewissen ihn zurückgelassen zu haben. Doch schnell kämpft er sich in der Reihe nach vorne um mich sehen zu können. Um zu überprüfen, ob es mir gut geht. Er fährt neben dem Boot und winkt mir zu.

Mein mental starker Mann!

Auch auf dem kleinen Boot kämpfen wir uns durch die Wellen. Prallen auch hier wieder stark auf und heben immer wieder ab. „It’s so heavy“ sage ich zum Guide, woraufhin er lachend antwortet: „That’s the sea“! Er meinte, dass die Wellen am Nachmittag am stärksten sind. Jetski Safari in seiner härteren Form also. Am Boot selbst ist es erträglich. Ich kann es sogar ein Stück weit genießen. Fühle mich mit dem Guide sicherer. Am Ende der Tour sammelt er alle ein und lässt uns das letzte Stück zurückschwimmen. Hier merke ich, dass ich keinerlei Kraft mehr habe. Komme kaum voran, weil mich das Festhalten so viel Kraft gekostet hat. Boden unter meinen Füßen. Oh mein Gott, ich bin so glücklich in diesem Moment!!

Bereue ich diese Erfahrung? Ein wenig.

Ich lerne auch unheimlich daraus. Über mich, über meine Persönlichkeit. Über meine größten Ängste. Und ich würde diese Tour nach der Erfahrung auch nicht mehr freiwillig buchen. Auch nicht, wenn mir jemand 100 Euro geben würde. Manchmal ist es besser, wenn man nicht weiß, was auf einen zukommt. Ein kleiner Schisser werde ich wohl immer bleiben. Aber sich immer wieder mit neuen Dingen zu konfrontieren, ist wichtig für die Entwicklung.

Ich will nicht stehen bleiben, ich will wachsen. 

Spät nachmittags erreichen wir unser Hotel. Ich springe direkt in den Pool. Genehmige mir einen Cubra Libre. Fühle mich ungewohnt entspannt. Als würde alles von mir abfallen. Die ganze Angst, die ganze Anspannung.

Gut zu wissen: Angst kann unser Körper nur eine gewisse Zeit empfinden. Es ist anstrengend für ihn. Normalerweise lässt sie schnell nach. Die Panik beim Jetski fahren war aber denke ich eine Spur zu groß. Ich würde euch lieber erzählen wie stark ich war und wie gut ich das ausgehalten habe. Aber ich bin ehrlich und teile meine Erfahrung mit euch. Als Paar haben uns beide Akivitäten gestärkt. 

Danke fürs Lesen,

Eure Nicole <3

 

 

 

2 Kommentare

  1. Du hast eine Wahnsinns Stärke bewiesen und kannst stolz auf dich sein. Ich denke als Beifahrer ist es deutlich schwieriger mit der Situation umzugehen.

    • Danke für deine lieben Worte! ❤️ Bin auch ein bisschen Stolz dass ich mich überhaupt getraut habe 🙂 jede Erfahrung macht uns reicher & wir sollten keine Angst vor Niederlagen haben 🙂

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