21 Tage inklusive „Diagnose“

„Sie bleiben wirklich 21 Tage?“

läuft uns der Rezeptionist ungläubig hinter her. Wir hatten bereits eingecheckt und waren mit dem netten Herrn, der uns die Koffer aufs Zimmer bringt, auf dem Weg zum Zimmer 4008. Das kommt wohl nicht allzu oft vor, dass Gäste für 3 Wochen hierbleiben. Entweder, weil so mancher nicht lange von der Arbeit freinehmen kann, oder, weil man sich nach ein paar Tagen langweilt und nichts mit sich anzufangen weiß. Vielleicht reizen auch andere weit entfernte Ziele mehr. Die Preise in der Türkei sind jedenfalls so niedrig, dass man für den Aufenthalt, selbst für 21 Tage, kein Vermögen braucht.

Aus der Minibar werden uns zwei Bier in die Hände gedrückt, dann lässt uns der Page alleine. Es ist alles genau so, wie wir es uns vorgestellt hatten. Besser gesagt, wie es uns alle Bewertungen und YouTube-Viedos suggeriert hatten. Wir überlassen wenig dem Zufall. Modern, stilvoll, überschaubar. Perfekt, um sich neu zu sammeln. Ohne Hektik, ohne Stress, ohne äußere Einflüsse. Es wird ein paar Tage dauern, bis der innere Groll und all die sorgenvollen Gedanken über die Zukunft nachlassen. Aber wenn nicht hier, wo denn bitte dann?

Trotz aller Vorbereitungen sind wir anfangs etwas verloren.

Es gilt die Standards zu klären: Von wann bis wann gibt es Essen (eigentlich immer), was vom Buffet sagt einem zu, auch nachdem man es probiert hat (Achtung scharf!), wie ist das Liegen-Reservierverhalten der Gäste und wo auf der Liegefläche bekommt Manuel den ganzen Tag genug Schatten. Dann kam die Handtuch-Frage! Man muss uns den suchenden Blick angesehen haben, als wir Richtung Spa gelaufen sind. „Was braucht ihr denn“ sagt Franzi mit ihrem ostdeutschen Dialekt. Sie übergibt uns liebevoll und mit einem breiten Lächeln zwei „Handtücher“ (was hier eher normale Tücher sind). Franzi übernimmt die Gästebetreuung im Alexia Resort. Ihre herzliche, offene Art macht uns die Ankunft leichter. Schließlich zeigt sie uns den Spa-Bereich und wir vereinbaren einen Termin für eine Probe-Massage.

Die „Handtücher“ im Hotel

„Fatma und Mahmut sind eure Therapeuten“

erzählt uns Sonja und bereits wenige Momente später stehen die beiden parat, um uns abzuholen. Manuel liegt direkt neben mir auf einer Liege. Der Raum wirkt etwas kühl, auf den ersten Blick nicht ganz so einladend. Aber bei der Massage zählen schließlich andere Werte, weshalb ich mich nicht blenden lasse. Fatma ist eine kleine, braunhaarige süße Frau im mittleren Alter. Man würde ihr nicht zutrauen, dass sie so zupacken kann. Sie beginnt in der oberen Rückengegend und arbeitet sich Stück für Stück nach unten. Als sie meine Lendenwirbel erreicht, jammere ich vor Schmerzen. Sie drückt immer weiter hinein, lässt nicht locker. „Lendenwirbel Schmerzen?“ sagt sie fragend. Oh ja!

„Bin ich mit einer Oma zusammen?“

hatte mich Manuel in der Vergangenheit oft gefragt. Immer, wenn ich auf harten Oberflächen liege (z.B. Wiese, Matte), kann ich danach kaum noch aufstehen vor Schmerzen. Arztbesuche scheue ich, deshalb habe ich das Problem auf meine eigene Weise gelöst: Nicht mehr auf harten Oberflächen liegen. Ein klappbares Stühlchen für den Weiher bestellt. Zack, so einfach kann es gehen! Aber auch, wenn ich schwere Sachen hebe, kommt der Schmerz in heftiger Intensität zurück.

„Der 5. Lendenwirbel ist betroffen. Bandscheibenvorfall.“

lautet die Diagnose der zweiten Kollegin, die hier die Chefin zu sein scheint. Es sei noch in einem Stadium, wo man nicht operieren müsse. Die Worte kommen so schnell von ihren Lippen aber ich brauche einen Moment, um es zu verstehen. Ob ich dem Ganzen traue, weiß ich noch nicht. Aber es treibt mir Tränen und eine Menge Sorgen in diesen wunderschönen Urlaub. Damit hatte ich nicht gerechnet! Gedanken wie „ich bin doch noch so jung“ und „nein, ich doch nicht“ treiben durch meinen Kopf. Ich bewege mich doch, gehe spazieren und habe bis vor Kurzem regelmäßig Sport gemacht. Woher das wohl kommen mag?

Einer der größten Risikofaktoren: Bürojobs!

Und wieder einmal bestätigt sich für mich, dass zu langes Sitzen Gift für den Körper ist. 11 Jahre Büro. 11 Jahre lang täglich mindestens 8 Stunden sitzen. Da hilft wohl auch der kleine Spaziergang in der Mittagspause, das rückenfreundliche Kissen auf dem Schreibtischstuhl und die Trainingsstunde abends nicht. Die Zeit des „am Stück sitzens“ ist zu lange. Eine große Rolle soll neben dem Bewegungsverhalten auch die Genetik spielen. Rückenleiden in der Familie? Check! Aber was nun? Was macht man mit so einer „Diagnose“, die ja noch nicht mal wirklich eine ist?

Risikofaktor Bürojob

Türkischer Tee wird uns gereicht. Wir sollen Platz nehmen. Soll nun nur das goldene Sparschwein der Touris gemolken werden oder kann mir wirklich geholfen werden? Man beratschlagt sich und kommt zu dem Entschluss, dass Manuels Rücken in einem besseren Zustand ist als meiner. Ihm würden zwei Behandlungen für Verspannungen im Nackenbereich ausreichen. Bei mir jedoch sollten es mindestens 5 sein. Das muss erst mal sitzen. Es ist nicht so, als könne ich es mir nicht leisten, aber ich bin immer vorsichtig, wenn mir jemand etwas verkaufen möchte. Nach einigem hin und her werden wir uns preislich einig und schließlich ist es Manuel (kaum zu manipulieren!), der ein Machtwort spricht. „Du wirst diese Massagen buchen, wir teilen uns den Betrag. Du hast schon zu lange Schmerzen.“

So stehen fünf medizinische Massagen auf dem Programm. Bis ich in Deutschland zum Arzt gehen kann, muss ich auf die Hilfe von Fatma vertrauen. Geknickt sitze ich auf der Liege. Manuel nimmt mich in den Arm und sagt „wir schaffen das schon“. Keine zwei Jahre verbinden uns und doch verbindet uns so vieles. Der ehrliche Wunsch, dass es dem anderen gut geht.

Was mir an diesem Tag wieder einmal ganz klar vor Augen geführt wird: Es gibt nichts Wichtigeres als deine Gesundheit, eine Person, die dich liebt und eine Familie, die jederzeit hinter dir steht.

In Dankbarkeit,

Eure Nicole

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