Tätowierter Albtraum

Kampf um Schatten

Manuel rangiert die Liege samt Sonnenschirm täglich mehrmals um. Sein größter Feind in diesen Tagen: Die Sonne. Zugegeben: Macht man das nicht, zerfließt man bei den Temperaturen! Oben drauf gibt es einen unvergesslichen Sonnenbrand. Unser Stammplatz erfüllt alle Kriterien: Schirm lässt sich in alle Richtungen ausrichten, befindet sich im grünen, ruhigeren Bereich (Musik noch zu hören, aber nicht nervtötend laut), direkter Zugang zur Sauna und beiden Pools. Routiniert steuern wir Tag für Tag auf unseren Platz zu.

Ein Lächeln

Tief in Plugins und sein Astronautenbuch versunken, nimmt mich Manuel oft gar nicht mehr wahr. Wenn ich gerade nicht lese oder schreibe, starre ich gerne Gedankenlöcher in die Luft. Franzi, die ostdeutsche Gästebetreuerin, führt einen Neuling über das Gelände. Groß, tätowiert, hinkend. Bestimmt so ein Instagram-Sternchen, der mit coolen Posen seine Kohle verdient, denke ich mir. Das Hinken ist dabei nur das Markenzeichen, mit ein bisschen Mitleid lässt sich die Karriere bestimmt noch verbessern.

Ich beobachte wie Franzi ihm den Innenpool präsentiert, er sieht auf, unsere Blicke treffen sich und huch, da war es: Ein warmes Lächeln. Ganz deutlich, nicht zu übersehen. Mir gebührend. So etwas Simples, was mir doch nicht oft passiert. Viele haben einfach nichts zu lächeln oder wollen keine falschen Signale senden. Wir Deutschen sind da generell etwas verbohrt.

Ein Lächeln wärmt unsere Herzen!

Unangenehme Wiederholung

Ganz salopp sage ich zu Manuel „Der da hinten hat mich gerade angelächelt. Wann tust du das eigentlich mal wieder“. Dafür ernte ich nur einen bösen Blick und ein sehr aufgesetztes Lächeln. Den ganzen Tag passiert es immer wieder. Der Neuling schaut „zufällig“ in meine Richtung oder läuft Richtung Innenpool. Immer wieder schenkt er mir dieses Lächeln. Langsam wird es mir unangenehm. Er muss doch sehen, dass ich einen Freund habe! Mein Papa hatte dazu mal einen guten Spruch:

Der Süßigkeitenladen: „Du musst dir das vorstellen wie einen Süßigkeitenladen Nicole. Du entscheidest dich für eine davon, z.B. ein Schokobon. Wenn du dann an Gummibärchen und Milky Ways vorbeikommst, musst du standhaft bleiben.“

Und so ist es im Leben immer wieder.

Liebe ist eine Entscheidung. Mein Schokobon sitzt neben mir und tippt auf seinem Tablet. Meine Entscheidung habe ich nicht bereut. Manuel ist ein hübscher, intelligenter, organisierter Mann, der mir im Leben gerne einen Tritt in den Hintern gibt und hin und wieder eine Portion mehr Mitleid verteilen könnte 😉 sonst ein wirklich toller Partner. Gummibärchen und Milky Ways lassen mich kalt, auch wenn sie direkt auf mich zufliegen. So lasse ich ihn bei seinem geliebten Tablet und starte alleine Richtung Pool. Schwimme und lasse mich auf dem Wasser treiben. Schließe meine Augen und fühle mich, als könne ich schweben. Wie unbeschwert sich alles anfühlt. Wasser lässt alles so viel leichter erscheinen.

Hahnenkampf

Als ich wieder zum schwimmen ansetze, erschrecke ich wegen eines lauten Platschers. Der Neuling in goldenen Badeshorts hatte mich beobachtet und ist mir nachgehechtet. Ohh nein! Männer sind hartnäckig. Wieder blickt er zu mir, grinst über beide Ohren und sagt „Ich bin der Jan und wer bist du?“. Höflich aber distanziert beantworte ich ihm die Frage. Er käme aus Düsseldorf, habe coronabedingt hier ein Geschäft aufgemacht und würde Touren anbieten. Jeden Monat würde er auch mal nach Deutschland fliegen, aber nicht länger als eine Woche. Komplett in die Heimat zurückzugehen könne er sich nicht mehr vorstellen.

Absolut schmeichelhaft ist seine Schätzung auf mein Alter von 22 und das Kompliment, ich sei ihm von Anfang an sehr positiv im Hotel aufgefallen. Er selbst sei 25.

„Du bist ja mit deinem Freund hier“ stellt Jan endlich richtigerweise fest. „Der findet das nicht so toll“ entgegne ich ihm mit einem Zwinkern. Bald verabschieden wir uns und ich gehe Richtung Bar. Keine 2 Minuten, schon steht er wieder hinter mir. Das wird „Ehekrieg“ geben, wir sind direkt in Manuels Sichtweite und ich kann seinen Blick förmlich spüren.

„Wasser und Eiscafe also“

stellt Jan fest. Er selbst bestellt Bier und ich frage ihn, ob er wisse, dass diese nach deutschem Reinheitsgebot gebraut wird. Verblüfft sieht er mich an und ich zeige ihm die türkische Schrift. „Bist du Türkin?“ sieht er mich fragend an. „Ne, hab ich gegoogelt“ sage ich und mache mich schnell mit Wasser und Eiscafe Richtung Manuel. Wieso lässt er mich auch immer alleine schwimmen. Ein weiterer böser Blick und ich zucke mit den Schultern

„Was soll ich denn machen?“ sage ich schulterzuckend. Ich bin einfach viel zu nett, um Menschen abzuwimmeln. Egal, ob es ein tätowierter junger Jan oder ein übergewichtiger Dirk im mittleren Alter ist. Manuel ist zwar sauer, nimmt es aber noch gelassen. Das zeige, dass ich nett anzusehen wäre. Männerlogik.

Drang nach Aufmerksamkeit

Jan hatte mich auf den „Mister Alexia Contest“ aufmerksam gemacht. Er würde da schon mitmachen, da gebe es tolle Preise. „Wollen wir da nicht hingehen?“ frage ich Manuel abends. Sehr widerwillig starten wir Richtung Bühne und ja, er hatte wirklich mitgemacht. Für mich brauchte das junge Kerlchen viel Aufmerksamkeit und Bestätigung. Seine neuen Single Ladies in der ersten Reihe applaudieren gemeinsam mit seinen intellektuell fragwürdigen Freunden. Miss Magersüchtig scheint es ihm angetan zu haben. Blond, 1,85m groß, wahrscheinlich maximal 55 Kilo. Lächelt immer genauso nett wie Jan und kichert, wenn sie ein Getränk bestellt.

Der Contest ist wirklich lustig anzusehen. Verschiedene Disziplinen werden ausgetragen. Jan gibt alles auf dem Laufsteg, macht imposante Posen und gleichzeitig kostenlos Werbung für sein Unternehmen (dumm ist er jedenfalls nicht). Er lacht übertrieben und spielt den glücklich Lässigen. Nur ich sehe, dass er das wahrscheinlich gar nicht ist. Ich denke, ihn plagt die Sehnsucht anzukommen, wirklich er selbst sein zu können. Ich halte Manuels Hand, drücke sie ganz fest. Am Ende der Vorstellung gehen wir Richtung Zimmer. Der DJ dreht nochmal Helene Fischer auf. „Atemlos“ sehen wir uns in die Augen. Lachen und genießen unsere Liebe.

Männerkontest im Alexia Resort – Hütchenspiel

Schmaler Grad & Eifersucht

Manuel ist normalerweise so gut wie nie eifersüchtig. Er kann mir vertrauen. Wieso hier, bei so einem Selbstdarsteller?

Ich denke wir vergleichen uns mit Menschen und ordnen uns ein. Jan hatte er in der Attraktivitätsskala „Hoch“ eingestuft, was ihn verunsichert hat. Genauso ging es mir mit seiner ehemals besten Freundin. Blond, lasziv, lange Beine – das hat mir ebenso Angst gemacht, weil ich da nicht mithalten konnte. Nur die Aussage, man gehe ja nicht fremd, beruhigt selten. Wo sind die Grenzen? Reden muss ok sein, aber wann ist reden gleich flirten? Wann verletzen wir den anderen und wo dürfen wir uns in unserer Freiheit nicht einschränken lassen? Ganz ganz schmaler Grad! Jedes Paar muss das selbst für sich definieren denke ich, auf jeden Fall nach dem Motto „gleiches Recht für alle“.

Am nächsten Morgen ist Aqua Aerobic, und wen wunderts, Jan macht mit! Ich bleibe bei Manuel und provoziere das Ganze nicht weiter. Weil es keinen Wert hat. Leere Männer wie Jan gibt es überall. Zuverlässige Männer wie Manuel eher selten. Einen Tag später kehrt wieder Ruhe und Frieden ein. Jan hat ausgecheckt und ich kann mich wieder frei bewegen. Auch wenn mir ein Lächeln fehlt… ich hoffe darauf, dass Manuel es öfter tut 😉 mich einfach anlächeln. Wenn Jan eines erkannt hat, dann, dass die Welt ein Lächeln braucht!

Hochwertige Männer: Erkenne den Wert deines Partners. Ein Guter trägt dich auch durch die schweren, nicht nur durch die guten Zeiten. Mit einem guten Partner hast du das Potenzial dich zu entwicklen. Blender, Schmeichler und lächelnde Jans gibt es an jeder Ecke.

Wo sind für euch die Grenzen in einer Partnerschaft? Hättet ihr Jan die Meinung gesagt? Eure Einschätzung würde mich brennend interessieren! Teilt gerne eure Gedanken mit mir 🙂

Danke fürs Lesen,

Eure Nicole

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert