Ans Ufer zurückgespült

Wie so oft beginnt mein Beitrag aus einem Traum heraus.

Ich wache auf und alles was ich fühle ist ein tiefer Schmerz. Nicht körperlicher Natur, sondern meine Seele sticht. Es ist ein dumpfes Druckgefühl, das in der Magengegend sitzt. Ein Wink des Unterbewusstseins. Ein Hinweis, dass ich innerlich noch nicht abgeschlossen habe. Verdrängtes wird zu gegebener Zeit immer wieder ans Ufer zurückgespült. So sehr man sich auch bemüht, alles nicht Verarbeitete holt einen früher oder später wieder ein. Es gleicht einem inneren Wellengang, der sich erst beruhigt, wenn wir uns den Themen stellen. So liege ich an diesem Morgen zusammengekrümmt im Bett und beginne zu verarbeiten.

Inhalt des Traums

Viele von euch halten mich sicher für verrückt, aber Träume folgen selten logischen Abfolgen. Sie bewegen sich frei, kennen keine Grenzen. Sie bilden das ab, was wir uns oft nicht zu denken trauen – aus Schmerz, Scham, Kummer. Nahezu jeder meiner Träume verarbeitet im Moment meine Arbeitssituation. Dabei ging es bis jetzt immer um die letzten Wochen meiner Sparkassen-Zeit. Mal bin ich wieder am Arbeitsplatz und helfe meiner Kollegin, in der Hoffnung nicht vom Chef entdeckt zu werden. Mein Blick wandert dabei immer wieder prüfend zur Tür. Mit panischer Angst sitze ich am Schreibtisch, immer zur Flucht bereit, falls er auftaucht. Panik. Hoher Puls. Fluchtreflexe. Ich verbinde etwas Bedrohliches, als müsse ich mich schützen. Das leite ich aus diesen zahlreichen nicht enden wollenden Träumen ab. Sämtliche Varianten hat mir mein Unterbewusstsein dazu geliefert. Solange die Träume wiederkommen, bleibt der Konflikt innerlich ungelöst.

Sehnsucht trifft tiefe Abneigung

Doch der Traum der letzten Nacht reicht weiter zurück. Ich rufe mitten in der Nacht meinen vorherigen Chef an und rede auf seinen Anrufbeantworter. Es sind Worte der Reue. Plötzlich wechselt die Szene und ich stehe mit ihm alleine in einem Saal. Wir bereiten gemeinsam eine wichtige Veranstaltung für die Führungskräfte vor und decken Tische mit Besteck, Tellern und Servietten. Es gibt überwiegend Meeresfrüchte und teures Essen. Dabei steht er nicht nur neben mir, sondern hilft tatkräftig mit. Er würde mir Bescheid geben, wenn das Geschirr wieder zum abräumen bereit wäre. Mein Blick bleibt auf ihm hängen und ich spüre, wie sehr ich ihn vermisse. Wehmut. Ein Miteinander. Augenhöhe. Respekt. Das ist so konträr zu den Träumen der Angst und Furcht, die ich zum letzten Vorgesetzten habe. Sehnsucht trifft tiefe Abneigung. Vertrauen trifft Misstrauen.

Warmherzig geführt

Mit dieser Sehnsucht wache ich auf. Es ist die Sehnsucht nach einem Menschen, der mich stets zu schützen versucht hat. Nach einem Menschen, der mir so viel Sicherheit geboten hat. Und wohl das Wichtigste: Der an mich geglaubt hat. An meine Fähigkeiten, mich als Person. Bei ihm war ich keine Nummer. Ich war in erster Linie Mensch. Zuverlässigkeit, Warmherzigkeit, Demut und eine große Portion Humor zeichnen ihn aus. So führt er die Menschen mehr als erfolgreich. So jemanden muss man einfach vermissen.

Heuchelei oder Authentizität? Ganz klar zweiteres. Und nun? Nun ist es an der Zeit, selbst an mich und meine Fähigkeiten zu glauben. Mich selbst vor Bedrohlichem zu schützen. Mir selbst die Sicherheit zu geben.

Herz gegen Verstand

Als ich die Entscheidung für die neue Abteilung getroffen hatte, war es nie eine Entscheidung gegen die alte. Es war eine Entscheidung auf rationaler Ebene. Fahrtzeit, neue Aufgaben & Herausforderungen haben mich zu dieser kommen lassen. Aber jetzt spüre ich ganz tief, dass ich damit ein sicheres, familiäres Umfeld aufgegeben habe. Eines, das mich akzeptiert hat mit all meinen Eigenheiten und Fehlern.

Und dennoch hattest du an mich geglaubt, immer. Sicher war ich nicht der beste Gestalter, aber du hast mich so fühlen lassen, als wäre ich es. Kein schlechtes Wort. Auch in den letzten stürmischen Zeiten hast du einen Rahmen geschaffen, der für mich sicher war. „Das tut dir doch gut Nicole“ war Balsam für meine Seele. Und als sich mein Leben vor einigen Jahren um 180 Grad gedreht hat, hast du dafür gesorgt, dass sich meine Arbeitsstelle mit dreht. Dass ich bleiben kann. Dafür hast du mich nie verurteilt.

Mit Tränen in den Augen schreibe ich diese Zeilen und möchte noch einmal DANKE sagen Thomas.

Mein Abschied hatte einen faden Beigeschmack. Gerne wäre ich anders gegangen.

Das Leben fließt

Das Gefühl von Annahme behalte ich im Herzen. Alles Gute hat dort seinen festen Platz. Nichts im Leben können wir zurückholen. Diese Zeit ist tot. Und doch darf es betrauert werden. Der Verarbeitungsprozess geht in die nächste Runde. Die Wellen werden abklingen. Ich werde Frieden damit schließen aber nie vergessen. Werde den Blick nach vorne richten und weitergehen, wie ich es immer getan habe. Immer einen Schritt nach vorne. Egal, wie schwer die Last der Vergangenheit auf mir liegt.

Eine Vielzahl an Entscheidungen

Im Leben stehst du stets vor Entscheidungen. Nahezu jede Sekunde wird dir abverlangt, A oder B zu wählen. Fernseher oder Buch? Obst oder Kekse? Bleiben oder Gehen? Vernunft oder Spaß? Liebe oder eigene Interessen? Geben oder Nehmen? Lachen oder Weinen? Sport oder Couch?

Ob du deine Entscheidungen mit Herz oder dem Verstand triffst, bleibt stets dir überlassen. Es gibt weder richtig noch falsch. Keine Entscheidung zu treffen bedeutet ebenso eine zu treffen. Habe keine Angst vor Fehlentscheidungen, auch diese weisen dir den Weg. Ich bereue keine. Auch diese nicht, die Arbeitsstelle gewechselt zu haben. Nur beim Weitergehen können wir wachsen und lernen. Mein „Learning“: Gutherzige Menschen sind keine Selbstverständlichkeit. Nicht jeder ist dein Freund, überpüfe stets, ob dir Menschen gut gesinnt sind. Wenn nicht, gehe weiter. Stehe für dich selbst ein.

Trage die Folgen deiner Entscheidungen. Die Summe dieser bildet dein heutiges Leben.

Ich nehme meinen Traum, die Erinnerung die ans Ufer gespült wurde, in die Hand und werfe sie zurück ins offene Meer. Möge sie wieder zurückkommen, bis die Wellen ruhiger werden.

In tiefer Verbundenheit

Nicole

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