Seifenblasen platzen leise 

Ich hasse Abschiede

Ich halte meine Schwiegermama ganz fest im Arm. Tränen in den Augen. „Ich pass auf ihn auf“ flüstere ich ihr ins Ohr. Nun ist der Zeitpunkt gekommen. Wir stehen an diesem Montag Morgen, dem 1. Mai, bei Terminal 1 am Münchner Flughafen. Im Auto haben wir versucht, ganz normal miteinander zu reden. Als würden wir einen ganz Ausflug machen. Aber jetzt, in den Minuten des Abschieds, brechen alle Dämme des Überspielens.  

Ich hasse Abschiede! Der von Mama sitzt noch besonders in den Knochen. Es war der Schwerste von allen. Bildlich sehe ich sie im Türrahmen. Voller Schmerz. Von meinem eigenen ganz zu schweigen. 100 Tage Trennung. Es bricht mir das Herz.    

5 Minuten 

Das ist die Zeitspanne, die uns an diesem Montag Morgen, dem 1. Mai, bei Terminal 1 am Münchner Flughafen bleibt. Auch Manfred, mein Schwiegerpapa, hat nasse Augen. Neben dem Abschiedsschmerz spüre ich ein Gefühl: Vorfreude. Lange haben wir auf diesen Tag hingefiebert. Lange haben wir uns innerlich darauf vorbereitet. Lange jedes kleinste Detail dieser Reise ausgearbeitet. Reiseimpfungen, Routenplanung, Versicherungen, … . 7 Monate lang ging es nur um diesen EINEN Tag. Um diesen Montag, den 1. Mai.

Den Start unserer Südostasien-Reise.  

„Sie fliegen ja nicht nach Hamburg“ 

entgegnet uns die Frau beim CheckIn. Manuels Frage, ob wir nun den Perso oder den Reisepass benötigen, stellt sich als unnötig dar. Natürlich den Reisepass. Nein, es geht nicht nach Hamburg. Es geht nach Kuala Lumpur. 

24 Stunden 

Eine lange Reise liegt vor uns. Von Haustür zu Haustür: 24 Stunden. Mein erster Langstreckenflug.

Auf Flug Nr. 1 haben wir viel Platz und sogar einen 3. Sitz. Die Bildschirme an den Vordersitzen mit neuen Filmen wie „Megan“ vertreiben uns rasch die ersten 6 Stunden. Planmäßig erreichen wir Abu Dhabi. Wieder Sicherheitskontrolle. Dann 3 Stunden Wartezeit, dann nochmals 7 Stunden in der Luft.

Turbulenzen auf Flug Nr. 2 berauben uns des so nötigen Schlafes. Es ist eng, sehr eng sogar. Bei jedem „Geruckel“ bleibt mir kurz das Herz stehen. Ich zähle die Stunden, Minuten. Ob Tag oder Nacht? Das realisiere ich lange nicht mehr. Völlig erschöpft aber aufgeregt kommen wir in Kuala Lumpur an. Nie werde ich den ersten Blick aus dem Flugzeug-Fenster vergessen. Palmen. Grün. Das Gefühl, das erste Mal auf asiatischen Boden zu sein. 

Internet ist ein Muss 

Unsere Koffer sind schneller als erwartet auf dem Abholband. 

Erste Herausforderung: Ein Grab organisieren. Grab ist eine Art „Taxi-App“. Eigentlich nicht allzu schwer, aber beim ersten Mal brauchen wir doch ein paar Minuten, bis wir wissen, wie es geht. 

Zweite Herausforderung: Unsere aktivierte eSim funktioniert nicht. Zu unserem „Glück“ gibt es aktuell Störungen. Na wunderbar. Also noch schnell eine Sim-Karte am Flughafen organisiert. Ohne Internet in einer fremden Großstadt – das scheint uns zu leichtsinnig.

Dazu noch Geld in die richtige Währung „malaysische Ringit“ umgetauscht. Fertig.

Der Name klang besser 

Die letzten Stunden sitzen uns in den Knochen. Wir sind müde. Es fühlt sich so an, als würde sich der Boden unter mir bewegen. Körpergedächtnis. Die stundenlangen Turbulenzen haben sich eingeprägt. Und: Die ersten Schritte aus dem Flughafen haben es in sich. Das Klima ist unerträglich schwül warm. Terrarium-gleich.

Als unser Grab vorfährt, bin ich mehr als erleichtert. Eine Klimaanlage. Der Taxi-Fahrer fährt zielstrebig unserem Apartment in den Mercu Summer Suites entgegen. Der Name klingt schon mal gut. 

Mein erster Eindruck von Kuala Lumpur: Grau, heruntergekommen, hässlich.

Einfachste Behausungen, über viele Stockwerke hinweg. Wow. Ein Traum, der in Sekundenschnelle zerplatzt. Das hat absolut nichts mit meinen Erwartungen zu tun. Dem „paradiesischen“ Leben. Ich schließe die Augen auf der Rücksitzbank. Wünsche mir, wir hätten das nie gewagt. Unwohlsein. Unsicherheit. Heile Welt trifft auf Armut. Nach einer Stunde kommen wir an, in den Mercu Summer Suites. 16 Euro kostet die Taxi-Fahrt. Erstaunlich günstig.

Vom Traum zur Realität 

Mit Sack und Pack sitzen wir in der Eingangshalle. Dave, unser Host, holt uns wenige Minuten nach Ankunft ab. Das Zimmer ist Gott sei Dank früher beziehbar als erwartet. Gemeinsam fahren wir in den 30. Stock. Keiner sagt etwas. Was hätte ich für einen freundlicheren Empfang gegeben. Der Aufzug ist riesig, hoch und dreckig. Vom europäischen Standard darf ich mich schnell verabschieden.

Er schließt die Tür des Apartments auf. Die nächste Seifenblase platzt. Auf den Bildern sah das Apartment irgendwie schöner aus. Der Gang mieft. Der orange Teppich ist an vielen Stellen grau verfärbt. Auch der Geruch im Apartment selbst ist nicht gerade einladend. Dave verabschiedet sich nach wenigen Sekunden wieder. Völlig am Ende lasse ich mich aufs Bett fallen.

100 Tage sind gebucht.

100 Tage kein Zurück.

100 Tage meinen Traum vom „süßen Leben“ leben, der sich soeben mit der Realität abgeglichen hat. 

Ein Kommentar

  1. Pingback:70 Tage Workation - nicoles REISE

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